Ein ETFE-Kleid für das FRAC Nord-Pas-de-Calais in Dunkerque

Gelebter Ort – FTR begleitet seine Referenzen im Betrieb und gratuliert Lacaton Vassal zum Pritzker Preis 2021

FRAC steht für Fonds régionaux d´art contemporain – öffentliche Sammlungen zeitgenössischer bildender Künstler in 23 Städten Frankreichs. Als wichtiges Kulturinstrument stellen sie nicht nur Kunst aus, sondern bilden stets auch den Katalysator für strukturelle, regionale und städtebauliche Entwicklungen. So wurde im Herbst 2013 das FRAC für die Region Nord-Pas-de-Calais im nordfranzösischen Dunkerque oder Dünkirchen, das den meisten wohl bisher eher durch die gleichnamige Schlacht im Zweiten Weltkrieg bekannt war, eröffnet, für das unser französisches Partnerbüro LEICHT France die Fassaden plante. Die Serie „Gelebter Ort“ soll in Zukunft regelmäßig einen Fokus darauf werfen, wie sich die von uns geplanten Konstruktionen im Alltag bewähren.

Im Niemandsland eines nicht mehr genutzten und teilweise freigeräumten Hafengebiets konnten hier die Architekten Anne Lacaton und Jean-Philippe Vassal einen neuen Ort für die Kunst realisieren, der bereits wenige Monate nach seiner Eröffnung überregionale Bedeutung erlangte. Die Ausgangsbasis bildete die alte Werfthalle AP2 aus dem Jahr 1949, welche die Architekten um einen Zwilling gleicher Dimension für die Kunst ergänzten.  

Die Konstruktion aus Betonfertigteilen von alter und neuer Halle erlaubt eine maximale Flexibilität in der Grundrissorganisation. Sie wird umhüllt von einer leichten transparenten Klimahülle aus Polycarbonatplatten und großformatigen ETFE-Kissen. Im Unterschied zu einer klassischen Pfosten-Riegel-Glasfassade unterstreicht sie einerseits die architektonische Grundidee im Sinne ihrer Maßstäblichkeit und kam zugleich dem begrenzten Gesamtbudget des Projekts entgegen, andererseits stellt sie aber auch weit höhere Anforderungen an die Fassadenplanung. ETFE unterliegt zwar praktisch keiner materiellen Alterung, entscheidend sind jedoch die Details wie beispielsweise die Schnittstellen zum Bestand und zu den Öffnungen innerhalb der Fassade. Hier geht es stets um Individuallösungen statt um Standarddetails. Die Kombination mit einem innenliegenden Sonnenschutz, welcher ob energetischer Anforderungen in Deutschland nicht realisierbar gewesen wäre, trägt ebenfalls dem kleinen Budget Rechnung und garantiert zugleich einen freien, leicht gefilterten Ausblick auf die Umgebung und das Meer. Einfacher kann man sich eine solche Konstruktion, eine offene Struktur in einem „Gewächshaus“ mit sechs Geschossen und 9.000 Qua­dratmetern Nutzfläche, kaum vorstellen. Doch ist nicht gerade Einfachheit immer am schwierigsten zu erreichen?

So war es auch für uns in der Fassadenplanung eine echte Herausforderung. Umso glücklicher sind wir heute über den Erfolg des FRAC, das neben umfassenden Publikationen, Quartier und Stadt Dünkirchen eine neue Identität versprach und weit über die Region Nord-Pas-de-Calais herausragende Bedeutung erlangte.